Le ministre du Travail et de l'Emploi, François Biltgen, au sujet du taux de chômage, de la réforme de l'Inspection du travail et des mines et du statut unique

fonction publique: Herr Minister, vor der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf haben Sie sich vor wenigen Tagen in Ihrer beachtenswerten Grußbotschaft für weltweite soziale Gerechtigkeit eingesetzt und an die soziale Verantwortung der Unternehmer appelliert. Was erwarten Sie sich gerade in diesem Punkt von den Arbeitgebern?

François Biltgen: In einer Zeit der weltweiten Globalisierung müssen wir uns bewusst sein, dass nicht die Globalisierung an sich schlecht ist, sondern die Tatsache, dass sie nicht "global" genug ist. Sie hat nämlich eine unzureichende "soziale Dimension". Die Internationale Arbeitsorganisation, eine Dreierkonferenz (!), könnte diese soziale Dimension am besten herstellen. Die Rolle vor allem multinationaler Arbeitgeber, aber auch der Klein- und Mittelbetriebe, sowohl in unseren Gefilden als auch in den Entwicklungsländern, ist bei der Umsetzung der Strategie der Internationalen Arbeitsorganisation für eine dezente Arbeit für alle entscheidend.

Diese Strategie ist eine doppelte:

1. Die Umsetzung und Einhaltung minimaler gesetzgeberischer Normen der IAO stellen den Basissockel für die soziale Dimension der Globalisierung dar, die die IAO in einem bemerkenswerten Dokument vor vier Jahren thematisiert und in die internationalen Organisationen eingebracht hat.

2. Doch diese Minimalsockel müssen ergänzt werden durch "freiwillige" Handlungen der Arbeitgeber, die über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinausgehen. Hier sind sowohl weltweite Aktionen im Rahmen der Weltwirtschaft und des Welthandels (Garantie der Einhaltung gewisser sozialer Standards auf eingeführten Gütern) als auch nationale Initiativen (Verzicht auf zu lange Arbeitsstunden, Einhaltung verstärkter Sicherheitsstandards usw.) vonnöten. Beides muss Hand in Hand gehen, dies umso mehr, als die soziale Verantwortung der Unternehmen ein gutes Instrument ist, neuen gesetzgeberischen Maßnahmen, die in manchen Teilen der Welt als wirtschaftshemmend angesehen werden, aus dem Weg zu gehen und trotzdem Schritt für Schritt einer sozialen Dimension der Weltwirtschaft näher zu kommen.

fonction publique: Für viel Aufsehen hat in jüngster Vergangenheit der Gesetzesentwurf zur Restrukturierung der Gewerbeinspektion (ITM) gesorgt. Befürchtet wird, dass die ITM ihrer Kernaufgabe, nämlich, Maßnahmen zum Schutze der Arbeitnehmer zu ergreifen, künftig nicht mehr gerecht werden könne, so wie in der Vergangenheit. Nach dem nun vorliegenden Text müssten die ITM-Inspektoren ihre Kontrollgänge in Unternehmen in Zukunft ankündigen. Arbeitnehmer dürften nur noch während ihrer regulären Arbeitszeit zu Gesprächen in die ITM gebeten werden. Und nach jedem Besuch in einem Unternehmen müsse dem Unternehmenschef eine Kopie des internen Berichts der ITM übergeben werden. Führt diese fragwürdige Reform letztlich nicht zur Entmachtung der Arbeitsinspektion und damit zu einem Sicherheitsdefizit zum Nachteil der respektiven Belegschaften?

François Biltgen: Ich bin froh, dass Sie mir diese Frage stellen, da sie mir ermöglicht, so einiges richtig zu stellen. Ich muss mich in der Tat entschieden gegen eine solche Darstellung zur Wehr setzen. Dem ist nämlich nicht so. Die ITM wird nicht entmachtet, sondern bekommt im Rahmen der internationalen Abkommen hierzulande eine Ausrichtung, die es ihr ermöglicht, sehr viel gezielter gegen Verstöße vorzugehen, aber auch viel besser präventiv tätig zu werden, was eigentlich die Hauptrolle der ITM sein sollte. Ich möchte deshalb auf die drei Fragen eingehen, die Sie aufwerfen.

1) Der Text, den Sie bezüglich der Kontrollgänge ansprechen, ergibt sich aus dem Gutachten des Staatsrates, der aus verfassungsrechtlichen Gründen darauf besteht, dass die ITM nach einem klaren gesetzlichen Rahmen vorgehen muss, und nicht arbiträr "Superpolizei" spielen darf. Deshalb ist es normal, dass bei Einsätzen in Betrieben "legitime Gründe" vorliegen müssen. Diese bestehen aber sowieso immer dann, wenn es um die gesetzlichen Kompetenzen der ITM, wie in Artikel 3 der Gesetzesvorlage vorgesehen, geht. Und das ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn die ITM die Anwendung des Arbeitsrechts überprüfen soll. Dies darf sie immer. Der Text enthält also nur eine ordnungsrechtliche Komponente, schränkt aber keineswegs die funktionelle Handlungsfähigkeit der ITM ein.

2)Die ITM muss das Recht haben, die Arbeitnehmer an ihrem Verwaltungssitz zu empfangen und nicht nur auf deren Arbeitsplatz. Nur dann ist die Vertraulichkeit gewahrt. Die ITM obliegt übrigens dem Berufsgeheimnis, das allen anderen Verpflichtungen übergeordnet ist. Wenn die ITM also einen Arbeitnehmer zu sich bestellt, muss sie das so tun, dass der Arbeitgeber dies nicht unbedingt erfährt.

3) Falsch ist es zu glauben, dass dem Arbeitgeber eine Kopie des "internen Berichtes" übergeben werden muss. Es muss ihm ein Bericht übergeben werden, auf den auch gegebenenfalls der Betriebsauschuss ein Anrecht hat. Transparenz muss zu den Aufgaben der ITM gehören. Allerdings darf dieser Bericht keine vertraulichen Angaben beinhalten. Andernfalls würde der ITM-Inspektor gegen das Berufsgeheimnis verstoßen und wäre strafrechtlich verfolgbar.

Wir haben dies den zuständigen Stellen der IAO im Rahmen der internationalen Arbeitskonferenz dargelegt. Die IAO scheint unsere Argumente eingesehen zu haben. Die IAO wird von uns dauernd auf dem Laufenden gehalten, und wir erwarten eine definitive Stellungnahme ihrerseits vor der Diskussion im Parlamentsplenum. Die Reform der ITM geht nämlich auf ein von mir angefragtes Audit der IAO zurück, und ich bestehe darauf, dass wir bis zum Schluss mit der IAO zusammenarbeiten.

fonction publique: Ein Abgeordneter Ihrer Partei hat unlängst gefordert, auch den öffentlichen Dienst in den Zuständigkeitsbereich der ITM einzubinden, und das, obwohl eine mit der CGFP auf Regierungsebene getroffene Abmachung dies ausdrücklich ausschließt. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

François Biltgen: Ich kann und will keinem Abgeordneten verbieten, seine Meinung zu äußern. Es sind übrigens mehrere Abgeordnete verschiedener Parteien, die sich aufgrund des IAO-Audits auf diese Forderung nach Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer berufen. Für die IAO sollte es nur eine Gewerbeaufsicht geben. Aus den von Ihnen erwähnten spezifischen luxemburgischen Gegebenheiten heraus hat die Regierung diese Forderung nicht übernommen. Ich bin außerdem der Meinung, dass es sich hier um keine Ungleichbehandlung handelt, sondern, dass eine zweigleisige Aufsicht sich aus dem zweigliedrigen Statut der Arbeitnehmer (privatrechtliches Statut v/ öffentlichrechtliches Statut) durchaus ableiten lassen kann, insofern allerdings jeder Arbeitnehmer den gleichen Schutz auf dem Arbeitsplatz genießt. Lassen Sie mich deshalb richtig stellen, dass auch eine "nationale Abmachung" nicht gegen internationales Recht verstoßen darf. Die IAO fürchtet, nicht zu Unrecht, dass es Arbeitnehmer geben könnte, deren Sicherheit und Gesundheit auf dem Arbeitsplatz weder von der ITM noch von der Arbeitsaufsicht des öffentlichen Sektors gewährleistet werden könnten. Wir haben deshalb bei den regierungsseitigen Abänderungstexten vorgeschlagen, dass sämtliche betroffenen öffentlichen Anstalten in einem dem Arbeitsminister unterstellten "Comité de coordination du Systeme national d'inspection du monde du travail" zusammenarbeiten. Dieser Vorschlag hat mittlerweile die Zustimmung des Staatsrates und wird nicht von der IAO abgelehnt. Deshalb gibt es für mich keinen Widerspruch.

fonction publique: Vor kurzem hat Ihr Ministerium eine Sensibilisierungskampagne gestartet mit dem Ziel, die Zahl der Arbeitsunfälle zu senken. Im internationalen Vergleich rangiert Luxemburg in der Tat weit oben, insbesondere auch, was die Wegeunfälle betrifft. Wie erklären Sie diesen Umstand und was erwarten Sie sich konkret von dieser Kampagne?

François Biltgen: Wir müssen zwischen den "echten" Arbeitsunfällen und den Wegeunfällen unterscheiden. Bei den "echten" Arbeitsunfällen liegt an erster Stelle der Sektor der sogenannten "Höhe-Arbeiten", dann folgt die Leiharbeit (die sich auch wiederum hauptsächlich im Bausektor wiederfindet). Wir haben uns im Jahr 2003 mit den Sozialpartnern verpflichtet, die Frequenz der Arbeitsunfälle pro Arbeitnehmer um 10% zu senken. Dieses Ziel scheinen wir zu erreichen. Vieles bleibt noch zu tun. Auch deshalb ist die Reform der ITM überfällig. Bei den Wegeunfällen sind zwei Tatsachen zu beachten:

1) Unsere Unfallrate in der Statistik liegt höher als die unserer Nachbarländer, weil bei einem Wegeunfall mit Körperschäden der Arbeitnehmer zudem Anrecht auf die Rückerstattung der materiellen Kosten (Autoschaden) hat. Somit werden viel mehr Wegeunfälle als solche gemeldet, als dies der Fall im Ausland ist.

2) Fast 40% der Arbeitnehmer kommen aus der Großregion, meistens mit dem Auto. Wir müssen also noch viele Anstrengungen unternehmen, um den Gemeinschaftstransport dem Individualverkehr vorzuziehen. Dann wird auch die Zahl der Wegeunfälle zurückgehen.

fonction publique: Während in den Nachbarländern die Zahl der Erwerbstätigen nur moderat zulegte und vorübergehend sogar rückläufig war, konnten in den letzten sieben Jahren in Luxemburg 74.500 zusätzliche Jobs geschaffen werden, was einen Zuwachs um +29% darstellt. Obschon die Zahl der Grenzgänger - ohne die unsere Wirtschaft nicht auskommen könnte - im gleichen Zeitraum um 48.1 00 Personen (+57%) anwuchs, belegten die gebietansässigen Erwerbstätigen 26.400 zusätzlich geschaffene Arbeitsplätze. Diese beeindruckenden Zahlen beweisen, dass der Wirtschaftsstandort weiter sehr attraktiv ist, dass unsere Unternehmen insgesamt wettbewerbsfähig sind, und dass Luxemburg ein Gewinner ist im rauen Wirbel der Delokalisierungen, zumindest generell gesehen. Wieso hat sich dennoch unsere Arbeitslosigkeit in den letzten fünf Jahren verdoppelt auf rund 10.000 Menschen? Inzwischen ist in praktisch allen Ländern die Arbeitslosenquote konjunkturbedingt stark rückläufig, nur bei uns nicht. Warum hat der vormalige Musterschüler Luxemburg auf einmal so schlechte Noten?

François Biltgen: Der luxemburgische Arbeitsmarkt muss sehr viel differenzierter gesehen werden, als es sich aus Ihrer Frage ergibt. Ich will die schlechte Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den nackten Zahlen nicht herunterspielen. Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zuviel, das ist klar. Jedoch muss man sehen, dass sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit hauptsächlich aus zwei Faktoren ergibt, die beide hausgemacht sind:

1) Zum einen ergibt sich über die Hälfte der Zunahme der Arbeitslosigkeit aus der durch ein Gesetz von 2002 geschaffenen Kategorie der sogenannten "travailleurs reclassés", also der Arbeitnehmer mit beschränkter Arbeitsfähigkeit, die in den meisten Fällen im "normalen" Arbeitsmarkt kaum noch einzusetzen sind (60% dieser Bevölkerung hat nur eine Grundschulausbildung, 60% sind Langzeitarbeitslose, 80% sind über 40 Jahre alt, alle haben große gesundheitliche Probleme). Dieses Gesetz erhöht also zum Teil "künstlich" die Arbeitslosenstatistiken, während früher diese Arbeitnehmer sich sehr oft in Invalidenrente wiederfanden. Das Gesetz ist gut gemeint, muss aber überholt werden, da sein Ziel nicht erreicht wird. Lösen wir diese Frage, werden sich die Arbeitslosenzahlen wieder in Bereichen bewegen, an die wir in Luxemburg gewöhnt waren.

2)Der zweite Faktor, auf den wir zum Teil, aber nicht ganz, mehr Einfluss haben könnten, ist die Konkurrenz gut ausgebildeter, mobiler Arbeitskräfte aus den Grenzgebieten. Auf der Strecke bleiben die "schwachen" Arbeitnehmer, vor allem die weniger Gebildeten. Über die Hälfte der Arbeitsuchenden in Luxemburg (Tendenz steigend) hat nur eine Grundschulausbildung. Wir müssen deshalb unsere Schule entscheidend an die Anforderungen unseres Arbeitsmarktes anpassen (weniger als zwei Drittel der Arbeitsuchenden haben allerdings ihre Schulausbildung in Luxemburg genossen). Dies ist eine Aufgabe, die ich gemeinsam mit der zuständigen Bildungsministerin angehe.

fonction publique: Der Finanzplatz vermeldet Tausende offener Stellen und fordert inzwischen eine "Green Card" für die Einwanderung außereuropäischer Fachleute. Viele Luxemburger Arbeitgeber bevorzugen offensichtlich Grenzgänger gegenüber Gebietsansässigen, doch Handel und Handwerk beklagen sich auch über ihr Unvermögen, Luxemburger - will heißen: vielsprachige - Mitarbeiter zu finden. Im Jahresdurchschnitt nahm die Zahl der gemeldeten offenen Stellen 2006 um +42% gegenüber 2005 zu; im April 2007 lag sie sogar +71,5% höher als 12 Monate früher, was aber nicht verhindert, dass die Arbeitslosenzahl saisonbereinigt weiter ansteigt. Angebot und Nachfrage laufen hier offensichtlich aneinander vorbei: Wie gedenken Sie das Problem kurzfristig zu lindern und langfristig zu beheben?

François Biltgen: Eine entscheidende Antwort wird die Ausbildungspolitik liefern müssen. Wie gesagt, die Schule, im Sekundär-, aber auch im Postsekundarbereich, muss ihr Angebot der konkreten Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt näher anpassen. Wir haben in Luxemburg, im Vergleich zum EU-Durchschnitt, zu viele Schulabgänger ohne Diplom und viel zu wenig Hochschulabgänger. Außerdem brauchen wir eine grundlegende Reform der beruflichen Orientierung. Wie die OECD in ihrem Audit vorgeschlagen hat, müssen alle Elemente beruflicher Orientierung, die im Augenblick zwischen Arbeitsamt und SPOS aufgeteilt sind, sehr viel näher zusammengebracht, zumindest koordiniert, wenn nicht zusammengefasst werden. Das Arbeitsamt ist die einzige Stelle, die konkret weiß, wo welche Arbeitsperspektiven bestehen.

Theorie und Praxis müssen hier dringend einander näher gebracht werden. Persönlich könnte ich mir durchaus vorstellen, dass nur eine Behörde, mit Antennen in den Schulen, diese Aufgabe übernähme, und dass man die anderen Aufgaben des CPOS und der SPOS bei diesen beließe. Einerseits müssen wir den Jugendlichen mehr Berufsbilder zeigen, als diese von sich aus kennen können (meistens kennen sie nur den Lehrerberuf und sehen an diesem nur die viele Freizeit, aber nicht den immer größer werdenden psychischen Druck). Dies kann man unter anderem durch Schnupperbesuche in den Betrieben und durch Ferienjobs erreichen. Es macht aber keinen Sinn, Jugendlichen Berufsbilder zu präsentieren, ohne ihnen klar sagen zu können, welche Beschäftigungsperspektiven sich für sie in diesen Berufen ergeben können oder nicht. Hierfür brauchen wir aber auch die Mitarbeit der Betriebe, und mein Appell richtet sich an diese und ihre Verbände. Sonst können Schulen und Arbeitsamt kaum vorausschauend arbeiten. Letztendlich entscheidend bleibt auch die Einstellung, insbesondere der Eltern. Es gibt im handwerklichen und technischen Bereich durchaus gute berufliche Zukunftsperspektiven. Warum den Kindern nicht nahe legen, wenn sie das notwendige Talent haben, sich verstärkt in diese Berufe zu investieren, anstatt sich als halbausgebildete "Bürokräfte" (immerhin zurzeit über 1 500 Arbeitslose in diesem Bereich) in der Arbeitslosigkeit wieder zu finden?

fonction publique: Der Finanzplatz Luxemburg, mit inzwischen rund 40.000 Beschäftigten unser wichtigster Arbeitgeber, stellt praktisch kein Personal ohne Abitur mehr ein. Inzwischen haben 53% aller Arbeitsuchenden ein niedriges Ausbildungsniveau, das heißt, sie haben nur das gesetzliche Minimum von neun Jahren auf der Schule verbracht, weitere 34% haben ein mittleres Niveau, und lediglich jeder achte Jobsuchende ein höheres Niveau. Müssten die Politiker den Jugendlichen und ihren Eltern nicht viel offener sagen, dass man ohne Diplom heute nur sehr schwer zu vermitteln ist, und dass man zudem keinen Arbeitsplatz mit einer langfristigen Perspektive erhält, so dass man dauernd riskiert, arbeitslos zu sein?

François Biltgen Sie haben Recht, und ich habe in den vorhergehenden Antworten diese Frage eigentlich schon beantwortet: Ein Diplom bleibt der beste Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Übrigens waren 56% der im letzten Jahr geschaffenen Arbeitsplätze BAC+ -Arbeitsplätze! Doch nur 17% der Einheimischen haben einen Hochschulabschluss! Wir müssen unsere Ausbildung so ausrichten, dass wir wieder verstärkt diplomierte Fachkräfte für Bereiche ausbilden, die einen Bedarf an Arbeitskräften haben.

fonction publique: Heute sind 35% aller Arbeitsuchenden schon seit mehr als 12 Monaten auf der Suche. Der Anteil der schwierigen Fälle ist damit in einem beängstigenden Aufschwung, lag er doch vor drei Jahren noch bei 29% und vor vier Jahren bei 22,5%. Dabei haben Sie doch die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung kontinuierlich ausgebaut. Wie gedenken Sie, dieses Problem in den Griff zu bekommen?

François Biltgen Auch diese Entwicklung ergibt sich aus den zwei eingangs genannten Faktoren. Viele der Arbeitnehmer mit beschränkter Arbeitsfähigkeit sind einfach nicht in der Lage, aus der Arbeitslosigkeit herauszufinden. Das muss man objektiv sehen. Und diese Tatsache treibt die Zahl der eingeschriebenen Langzeitarbeitslosen in die Höhe. Deshalb brauchen wir nicht nur eine Reform der Gesetzgebung der "travailleurs reclassés", sondern auch eine Reform der Beschäftigungsinitiativen (Objectif Plein-Emploi, ProActif, Forum pour l'Emploi, aber auch Co-Labor und andere). Das Gesetzesprojekt 5144 soll diesen Initiativen eine verbreiterte Arbeitsbasis verleihen. Die andere Risikogruppe rekrutiert sich aus den Schulabbrechern und nicht diplomierten Schulabgängern, die im augenblicklichen Konkurrenzkampf keine reelle Chance haben. Ihre Frage verlangt also zwei Antworten. Zum einen müssen wir die wirklich unvermittelbaren Arbeitnehmer in den Beschäftigungsinitiativen auffangen, entweder, um sie fit für den Arbeitsmarkt zu machen, oder aber, um sie definitiv dort einzustellen, wo sie eine menschenwürdige Arbeit ausüben können. Zum anderen müssen wir die Schulausbildung anpassen, die Zahl der Schulabbrecher vermindern und die Orientierung verbessern. Eine rechtzeitige individuelle Betreuung, wie im Gesetzesprojekt 5611 vorgesehen, soll eben genau dieses Abdriften in die Langzeitarbeitslosigkeit verhindern .

fonction publique: Mit Ihrem Gesetzesprojekt "5611" sind Sie bei den Jugendlichen auf resoluten Widerstand gestoßen. Mit Ausnahme der CSV-nahen CSJ haben sämtliche Jugendorganisationen den Entwurf verurteilt, was Sie ja schließlich auch dazu veranlasst hat, Textanpassungen vorzunehmen. Können Sie aus heutiger Sicht die Sorgen der Jugendlichen nachvollziehen, die um ihre Zukunft bangen?

François Biltgen: Natürlich verstehe ich die Sorgen der Jugendlichen vollends. Genau deswegen habe ich das Gesetzesprojekt 5611 ja auf den Weg gebracht. Es ist ein Gesetz, das den Jugendlichen helfen soll, hauptsächlich denjenigen, die Schwierigkeiten haben, schnell in den Arbeitsmarkt zu gelangen. Es schmerzt mich daher immer noch, dass von verschiedenen Seiten das Gesetz als ein Vorhaben "gegen" die Jugendlichen dargestellt wurde. Ich bleibe dabei, dass wir den Jugendlichen reinen Wein über die Berufswelt einschenken und ihnen sagen müssen, dass es ausschließlich darauf ankommt, einen Arbeitsplatz zu bekommen, um somit die finanzielle Grundlage für ihr weiteres Leben zu schaffen, anstelle Arbeitslosengeld zu kassieren. Übrigens habe ich, in der Diskussion mit den Sozialpartnern im "Comité permanent de l'Emploi", also auch zusammen mit der CGFP, Abänderungen am ursprünglichen Gesetz zugestimmt. Nach den Schülerprotesten habe ich allerdings auf keinem einzigen Punkt mehr nachgegeben. Ich habe mich vielmehr seit den Schülerprotesten um den Dialog mit den Jugendlichen bemüht, um ihnen die Beweggründe der neuen Gesetzgebung nahe zu bringen. Ich glaube schon, dass mir das gelungen ist. Ich werde übrigens nun jedes Jahr im Herbst alle Sekundärschulen ersuchen, den Arbeitsminister und seine Mitarbeiter einzuladen, um den Schülern die Möglichkeit zu geben, ihre Sorgen, Fragen und Anliegen bezüglich des Arbeitsmarktes vorzutragen. Ich hoffe, dass die Schulen, auch unabhängig von Schülerprotesten, diesem Dialog positiv gesinnt sind. Bei meiner "5611"-Tournee habe ich jedenfalls gespürt, dass die Schüler auf eine bessere Berufsinformation hoffen.

fonction publique: Was soll denn aus Ihrer Sicht die neue Gesetzgebung, die seit dem 1. Juli in Kraft ist, den Jugendlichen konkret an verbesserten Perspektiven bieten?

François Biltgen: Es geht mir darum, das Arbeitsamt so zu gestalten, dass es besser in der Lage ist, individuell und schnell die Jugendlichen zu erfassen, die Probleme haben könnten, in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine schnellstmögliche individuelle Betreuung ist dann vorrangigstes Ziel. Die schnelle Aktivierung wird zur gesetzlich verankerten und vom Arbeitsuchenden einklagbaren Pflicht des Arbeitsamts, das entsprechend ausgebaut und umorganisiert wird. Das Ganze wird auf der Basis eines Aktivierungsvertrages stattfinden, der beiden Parteien Rechte und Pflichten individuell und präzise auferlegen wird. Es ist falsch zu behaupten, dass das Gesetz den Arbeitslosen nur Pflichten auferlegen wird, wie die Auflage von persönlichen Anstrengungen, eine Arbeit zu finden. Wie der Staatsrat richtigerweise in seinem Gutachten erwähnt, ist der Aktivierungsvertrag ein zweiseitiger Vertrag ("contrat synallagmatique"), der auch das Arbeitsamt streng in die Pflicht nimmt und dem Arbeitslosen das Recht gibt, rechtliche Schritte zu unternehmen, wenn das Arbeitsamt seine im Vertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllt. Es ist dies ein sehr weitgehender Schritt, der, meiner Kenntnis nach, in diesem Maße in keinem anderen europäischen Land in dieser Konsequenz vorgesehen ist. Ich erwarte mir von diesem Gesetz sehr viel, auch wenn klar ist, dass damit die Arbeitslosigkeit in Luxemburg nicht auf null sinken wird. Das Gesetz wird in schwierigen Fällen aber eine wertvolle Hilfe schaffen. Viele Jugendliche allerdings sind aufgrund ihrer schulischen Ausbildung nicht sofort fit für den Arbeitsmarkt. Die neuen Beschäftigungsmaßnahmen, wie der "contrat initiation-emploi" (CIE) und der "contrat appui-emploi" (CAE), die als Ausbildungsmaßnahmen konzipiert sind, haben eine bessere und schnellere Eingliederung in den Arbeitsmarkt zum Ziel. Aus der Erfahrung und aufgrund von Studien wissen wir, dass nur Bildungsmaßnahmen, an deren Ende die Expektative auf einen konkreten Arbeitsplatz steht, erfolgreich sind. Deshalb wird der "contrat auxiliaire temporaire" (CAT) beim Staat und den Gemeinden abgeschafft. Über tausend Jugendliche pro Jahr wurden als prekäres Zusatzpersonal bei Staat und Gemeinden eingestellt, ohne - in den meisten Fällen - eine echte Chance auf Einstellung nach Ablauf der Maßnahme. Die Jugendlichen allerdings wurden allzu oft zu der Annahme verleitet, sie könnten dennoch nach Ablauf der Maßnahme einen festen öffentlichen Arbeitsplatz erhalten. Sehr oft ließen die Verwaltungen sie in dieser Illusion, weil sie froh waren, personelle Verstärkung zu erhalten. Ich bleibe der Meinung, dass der Staat neue Posten ausschreiben muss, wenn er dauerhaft zusätzliches Personal benötigt. Es kann nicht sein, dass Jugendliche ohne Arbeit "verheizt" und vor allem in ihnen falsche Illusionen geweckt werden.

fonction publique: 20 % aller Arbeitsuchenden sind über 50 Jahre alt (gegenüber knapp 18 % vor einem Jahr), weitere 25 % sind in den Vierzigern. Ein Vorhaben aus Ihrem Ministerium trägt den Namen "Initiative 45 +". Arbeitgeber sollen motiviert werden, auch noch Arbeitnehmer über 45 Jahre einzustellen und von deren Erfahrungen zu profitieren, statt sie - wie es im Volksmund heißt -zum "alten Eisen" zu zählen. Gibt es in dieser Hinsicht Nachholbedarf in Luxemburg? Tun sich die Unternehmenschefs schwer, Arbeitnehmer ab einem bestimmten Alter einzustellen?

François Biltgen: Ja, die Statistiken belegen, dass Arbeitnehmer ab 45 Jahren schwer zu vermitteln sind. Dieses Problem ist in Luxemburg genau so gravierend wie in andern Ländern. Dafür gibt es einige Ursachen, die sich sowohl bei den Arbeitgebern als auch bei den Arbeitnehmern ansiedeln. Arbeitgeber argumentieren, ältere Arbeitnehmer würden teurer und würden sich weniger anpassen respektive wären weniger bereit, sich weiterzubilden und einzugliedern als junge Leute. Arbeitnehmer hingegen haben die Tendenz, auch durch den wachsenden Stress auf dem Arbeitsmarkt, selbst sehr schnell aus der Arbeitswelt ausscheiden zu wollen. Wir haben deshalb einige Maßnahmen durchgezogen, die gezielte Hilfen verschiedener Natur anbieten. Die sind finanzieller Art oder befinden sich im Bereich der Weiterbildung oder auch im Rahmen der Flexibilität - die unser Arbeitsrecht im Gegensatz zu einzelnen Aussagen durchaus bietet (ich denke an die Möglichkeit des progressiven Vorruhestandes und an die progressive Teilzeitarbeit usw.). Ich hoffe auch, dass dieser Themenkreis verstärkt im Rahmen von Kollektivverträgen angesprochen werden wird. Das gilt übrigens für alle Gebiete im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Dieser Problemenkomplex fordert jedoch auch ein radikales Umdenken beiderseits.

fonction publique: Wird nicht mit der Schaffung vom Staat finanzierter sogenannter Arbeitsbeschaffungsinitiativen die Arbeitslosenzahl künstlich herabgedrückt? Soll diese als Sozialwirtschaft hochtrabend bezeichnete Aktivität etwa zu einer Dauereinrichtung werden? Wie sehen Sie diese Entwicklung?

François Biltgen: Bei allen zum Teil berechtigten Kritiken, wir brauchen diese Initiativen für die am schwersten zu vermittelnden Arbeitslosen, und das aus zwei Gründen: zur Fitmachung im Hinblick auf eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt, und als Auffangstruktur für definitiv nicht mehr vermittelbare Arbeitslose. Diese Einrichtungen werden permanent bleiben. Der rechtliche Rahmen wird im Gesetzesprojekt 5144 definiert und präzisiert. Wir nehmen die Kritiken, die zum Beispiel aus dem Mittelstand kommen, sehr ernst, und haben versucht, in dieser Gesetzesvorlage die Maßnahmen so zu regeln, dass die Grundlagen für die Kritiken entfallen. Die Solidarwirtschaft soll als drittes Standbein dieser Initiativen ermöglicht und gesetzlich eingerahmt werden.

fonction publique: Teilen Sie die Auffassung der CGFP, dass die gezielte weitere Öffnung des öffentlichen Dienstes für Nicht-Luxemburger EU-Bürger die Arbeitslosenrate, besonders der jüngeren einheimischen Stellensuchenden, emporschnellen lässt, die konsequenterweise als Staatsbürger doch weiterhin ein Exklusivrecht für die Aufnahme in den nationalen Staatsdienst genießen müssten? - Dies umso mehr, als die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft alle gegensätzlichen Überlegungen bedeutungslos erscheinen lässt...

François Biltgen: Die hauptsächliche Aufgabe des Staatsdienstes ist es, die sich aus der nationalstaatlichen Souveränität ergebenden Aufgaben im Sinne der Nation und des Landes auszuüben. Deshalb trete ich auch vehement für ein öffentlich-rechtliches Statut dieser Bediensteten ein, das Kontinuität und politische Unabhängigkeit des Staatsdienstes garantiert. Und ich bin auch der Meinung, dass dieses Statut nur Luxemburgern zugängig sein soll; Souveränität ist nun eben aufs engste mit der Staatsbürgerschaft verbunden. Das gesagt, sehe ich derzeit aber zwei Probleme, die ausdiskutiert werden müssen:

1) Seit Mitte der 80er Jahre ist die Luxemburger Wirtschaft regelrecht explodiert. Früher hatten wir etwa 150.000 Arbeitsplätze, heute fast 330.000; allerdings haben wir nur gut 10.000 Luxemburger mehr als früher! Ohne Immigranten und Grenzgänger hätte sich unsere Wirtschaft nicht entwickeln können und hätten wir nicht den heutigen Wohlstand. Der öffentliche Dienst hat sich im selben Maße weiterentwickelt wie die Wirtschaft (ohne dass er überdimensioniert ist). Immer mehr Luxemburger kommen also in den öffentlichen Dienst. Gut 90% der öffentlich Bediensteten sind Luxemburger und gut 30% der Luxemburger Arbeitnehmer (nicht 80%, wie fälschlicherweise behauptet wird) arbeiten für die Öffentlichkeit. Wir müssen uns die Frage stellen, ob die soziale Kohäsion in Zukunft nicht in Frage gestellt wird, wenn immer mehr Luxemburger für die Öffentlichkeit arbeiten und immer weniger für die Privatwirtschaft. Je weniger einheimische Personalchefs es gibt, desto schwieriger ist es, Arbeitsuchende in den Betrieben unterzubringen. Wir brauchen also auch mehr Luxemburger in der Privatwirtschaft. Ich begrüße deshalb die Zustimmung der CGFP zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft, die vor allem für die Immigrantenkinder interessant sein sollte. Bei diesen müsste sich die Frage nach den genügenden Luxemburgischkenntnissen, eine wichtige Voraussetzung für die doppelte Staatsbürgerschaft, nicht stellen.

2) Außerdem muss man wissen, dass laut EU-Recht der ausschließliche Zugang der Staatsbürger zum Staatsdienst sich nur auf die Posten mit hoheitsrechtlichen Aufgaben beschränken sollte. Ich stelle fest, dass das Statut der öffentlich-rechtlich Bediensteten sich einerseits auf Aufgaben ausdehnt, die kaum hoheitsrechtlicher Natur sind, aber immer mehr Nicht-Luxemburger hoheitsrechtliche Aufgaben übernehmen. Dies ist ein Paradox, das wir in aller Ruhe diskutieren sollten.

fonction publique: Stichwort Einheitsstatut: Bedauern Sie nicht nachträglich, dass diese Frage im Rahmen der Dreierkonferenz überhaupt aufgeworfen wurde und schließlich zu einem Hauptthema wurde, das die Sozialpartner entzweit? Als Arbeitsminister sitzen Sie mit am Verhandlungstisch. Sehen Sie eine Chance, dass es hier je zu einer Einigung kommen kann?

François Biltgen: Zum ersten will ich klar sagen, dass der öffentliche Dienst direkt nicht vom sogenannten Einheitsstatut betroffen ist, es betrifft lediglich die Arbeitnehmer mit privatrechtlichem Statut, also Arbeiter und Privatbeamte. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass das privatrechtliche Arbeitnehmerstatut eine ganz andere Finalität verfolgt als das öffentlichrechtliche. Die Tripartite hat vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen gestärkt. Es lag also auf der Hand, eine sozialpolitische Komponente einzufügen. Das hätte auch die Reform des Sozialdialogs in den Betrieben sein können. Die Arbeitgeber sprachen sich aber - damals - unmissverständlich für das sogenannte Einheitsstatut aus. Das macht auch Sinn. Denn in Zukunft werden wir immer weniger Arbeiter und immer mehr Privatbeamte haben, so dass ohne die mit dem Einheitsstatut eingeführte Solidarität die Lohnnebenkosten bei Arbeitern in Zukunft sehr stark ansteigen und die Wettbewerbsfähigkeit in Frage stellen könnten. Allerdings fürchten vor allem viele kleine Handwerksbetriebe, dass bei Einführung der Lohnfortzahlung existentielle Probleme (die Betriebe würden durch die Herabsetzung der Krankenkassenbeiträge wohl 2,1% auf der Lohnmasse einsparen, müssten aber bis zu 13 Wochen lang das Krankengeld der Bediensteten aus eigener Tasche aufbringen, was derzeit nur bei den Privatbeamten, nicht bei den Arbeitern der Fall ist). Diese Sorgen und Ängste müssen wir verstehen und berücksichtigen. Ich glaube, dass gute Lösungen möglich sind. Allerdings stelle ich mir aufgrund der Aussagen verschiedener hauptamtlicher Arbeitgebervertretern die Frage, ob sie nicht lieber auf das Einheitsstatut verzichten wollen. Hier drängt sich die unmissverständliche Frage auf, warum sie es nicht in der Tripartite gesagt haben? Da ich mir allerdings geschworen habe, nur so lange politisch aktiv zu sein, wie mich mein christlicher Optimismus nicht verlässt, bleibe ich also dennoch zuversichtlich.

fonction publique: Herr Minister Biltgen, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.

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